Boykott der Olympischen Spiele 1984 - Reaktionen der betrogenen ostdeutschen Sportler
Vor vier Jahrzehnten beschloss das Nationale Olympische Komitee (NOC), die Olympischen Spiele in Los Angeles zu boykottieren, was die Reaktion der UdSSR auf den westlichen Boykott der Spiele in Moskau 1980 widerspiegelte.
Das NOC begründete dies wie folgt: "Die ständige politische Einmischung der US-Regierung in die Vorbereitung der Olympischen Spiele und die wiederholten Verstöße gegen die Olympische Charta durch die Organisatoren stellen seit langem eine erhebliche Bedrohung für die Teilnahme unserer Athleten an den Wettkämpfen unter fairen, ehrlichen und gleichen sportlichen Bedingungen dar."
Bereits 1983 erinnerte sich der Leichtathlet Heßlich, der heute ein Fahrradgeschäft in Cottbus betreibt, an seine Erfahrungen in Amerika. Er sagte: "Wir waren 1983 in Amerika. Wir waren in Sicherheit. Wir waren auch in L.A. bei einem nationalen Wettkampf ein Jahr vor den Spielen. Ich schlug Evelyn Ashford, die damals ein Superstar war. Sie haben die Preisverleihung ausgelassen."
Neues Deutschland, das Zentralorgan der SED, zitierte Heßlich am 12. Mai 1984: "Die Nichteinhaltung der Olympischen Charta durch die USA hat viele Athleten daran gehindert, an den Olympischen Spielen teilzunehmen und möglicherweise eine Goldmedaille zu gewinnen."
Heute denkt Heßlich darüber nach: "Eine glatte Lüge! Es war alles erfunden. Ich habe mich bis hin zum Bezirkssekretär beschwert. Er sagte, ich könne die Quote ändern, aber dann wäre meine Karriere beendet. Aber ich wollte nach 1980 wieder Olympiasieger werden." Dieses Ziel konnte er 1988 erreichen.
Von dem Boykott erfuhr das Trio, als Heßlich an einem Wettkampf in Tiflis teilnahm. "Die Amerikaner haben uns dort informiert, aber ich konnte es nicht glauben. Ich habe dann einen Weltrekord im 200-Meter-Fliegen aufgestellt und den Sprint vor Michael Hübner gewonnen." Hübner kam, wie Heßlich, aus der DDR.
Und was ist mit dem späteren LA-Olympiasieger Mark Gorski (64)? Der kam nur auf den dritten Platz. Heßlich: "Ich hatte von 1983 bis 1985 eine perfekte Siegesserie. Ich wurde sicherlich um Gold beraubt. Ich war eindeutig besser als der Amerikaner."
Drechsler und Göhr trainierten gerade in Jena, als sie von dem Boykott erfuhren. "Der Vereinsvorsitzende hat es uns beim Training gesagt", erinnert sich Drechsler, die damals noch Daute hieß. "Die Verantwortlichen wussten schon lange vorher Bescheid und haben uns Sportler wie Marionetten herumgeführt. Schon im Februar kam ein Beamter und sagte, wir würden boykottieren, weil wir angeblich zu wenig trainierten."
Göhr: "1984 war mein stärkstes Jahr. Von dem Boykott haben wir lange Zeit nichts erfahren." Die 'Entschädigung': "Wir durften an den Freundschaftswettkämpfen in Prag teilnehmen, aber die Männer mussten nach Moskau fahren. Das war der nächste..."
Glaubt sie, dass sie um das Gold betrogen wurde? "Ja, um die Olympischen Spiele betrogen, aber nicht um Gold. Evelyn war schon ziemlich stark, das wäre für mich schwierig gewesen. Sie hat mich kurz nach den Olympischen Spielen in Zürich mit einem Weltrekord geschlagen." Fairerweise sagt die Thüringerin: "Aber das Finale zu Hause im Fernsehen zu sehen, war wirklich sinnlos."
Und Drechsler? "Ich war 1983 Weltmeisterin geworden und in Rumänien in Los Angeles mit meiner Hauptrivalin Anisoara Stanciu. Sie hat gewonnen. Mein Vorteil war, dass ich jung war. Aber mein Traum von Olympia ist geplatzt."
Es folgten nur zwei Olympiasiege für das vereinte Deutschland: 1992 in Barcelona und 2000 in Sydney. Nur drei Tage nach der Boykottankündigung gelang ihr etwas Bemerkenswertes. In Jena sprang Drechsler einen DDR-Rekord von 7,29 Metern.
Drechsler: "In diesem Sprung steckte viel Wut. Zu der Enttäuschung kam wahrscheinlich auch noch die Verdrängung. Nicht teilzunehmen war dumm. Olympia war mein Traum, und ihn zu verpassen, war schmerzhaft."
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Quelle: symclub.org