Gekennzeichnete Nazi-Parolen - Aufregung um Sylt-Skandal-Filmmaterial
Politiker sind besorgt über einen möglichen Rechtsruck im Land, nachdem junge Partygäste auf Sylt in einer Bar rassistische Parolen skandiert haben. Der Vorfall sorgt für Aufregung und die Sorge um eine mögliche Beschädigung der Demokratie. Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) sagte dazu: "Wer so pöbelt, ausgrenzt und faschistische Parolen brüllt, greift an, was unser Land zusammenhält." Die Pony-Bar in Kampen hat Strafanzeige erstattet, der Staatsschutz ermittelt wegen der Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen und Volksverhetzung.
In einem viralen Video sind Jugendliche zu sehen und zu hören, die zu Gigi D'Agostinos mehr als 20 Jahre altem Partyhit "L'amour toujours" rassistische Parolen skandieren. Sie singen: "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus!", scheinbar ungehemmt und begeistert. Ein Mann macht eine Geste, die an den Hitlergruß erinnert. Die Umstehenden scheinen sich an diesem Verhalten nicht zu stören.
Die Konsequenzen für einige der Beteiligten ließen nicht lange auf sich warten. Die Werbeagentur Serviceplan Gruppe entließ einen ihrer Mitarbeiter fristlos, die Hamburger Influencerin Milena Karl entließ ebenfalls einen Mitarbeiter. "Ich bin selbst Migrantin und als werdende Mutter steht alles, was in diesem Video zu sehen ist, für eine Gesellschaft, in der ich mein Kind nicht großziehen möchte", erklärte sie.
Die Betreiber des Restaurants schrieben auf Instagram: "Wenn unser Personal zu irgendeinem Zeitpunkt Zeuge eines solchen Verhaltens geworden wäre, hätten wir sofort reagiert. Wir hätten die Polizei informiert und Anzeige erstattet. Das haben wir inzwischen tun können." Auf der Party waren mehrere hundert Gäste anwesend, wie der Geschäftsführer des Restaurants, Tim Becker, gegenüber dem ZDF erklärte.
Der Künstler, DJ Gigi D'Agostino, der den fraglichen Song komponiert hat, sah das anders. Er sagte: "In meinem Song 'L'amour toujours' geht es um ein wunderbares, großes und intensives Gefühl, das Menschen verbindet. Auch die Freude über die Schönheit des Zusammenseins steht im Mittelpunkt."
Vizekanzler Robert Habeck zeigte sich bestürzt über das Video. Er bemerkte: "Die Szenen waren verstörend und absolut inakzeptabel." Habeck wies auch darauf hin, dass es Deutschland mit dem 75. Jahrestag des Grundgesetzes gelungen sei, eine starke Demokratie zu werden, die auf Respekt und Pluralität aufbaut. "Es ist unsere Aufgabe, dies zu bewahren." Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichnete die Parolen als "ekelhaft" und "inakzeptabel".
Innenministerin Nancy Faeser (SPD) schloss sich diesen Worten an und sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: "Wer Nazi-Parolen wie 'Deutschland den Deutschen - Ausländer raus' ruft, ist eine Schande für Deutschland."
Diese Vorfälle ereignen sich nicht nur auf Sylt. Ähnliche Vorfälle wurden in den letzten Monaten auch aus Bayern und Niedersachsen gemeldet. In der Oberpfalz ermittelt die Polizei wegen eines möglichen Vorfalls bei einem Faschingsumzug im Februar.
In Erlangen skandierten zwei Männer auf der Bergkirchweih rassistische Parolen zu dem Lied "L'amour toujours". Die Verdächtigen im Alter von 21 und 26 Jahren erhielten am Freitagabend ein Betretungsverbot, der Staatsschutz hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Ein ähnlicher Fall wurde über Pfingsten in Niedersachsen gemeldet. Auch während des Schützenfestes in Löningen wurden rassistische Parolen gerufen, unter anderem zu "L'amour toujours", gegen die der Staatsschutz ebenfalls ermittelt.
Die Expertin Pia Lamberty interpretiert dies als eine Normalisierung rechtsextremer Inhalte in der Gesellschaft. Sie sagte: "Ohne dass es irgendeine Form von Widerspruch gibt, werden einfach gesellschaftliche Normen gebrochen. Menschen können ohne Angst extreme Parolen in der Öffentlichkeit äußern. Das Lied 'L'amour toujours' wird nun zunehmend mit rassistischen Parolen in Verbindung gebracht, und das macht etwas mit dem Gehirn. So schaffen Rechtsextremisten eine Akzeptanz für solche Parolen in der Gesellschaft."
Auf Sylt und anderswo beunruhigt die Normalisierung rechtsextremer Inhalte viele und schürt die Sorge um die Gesundheit der deutschen Demokratie.
Die Geschichte verdeutlicht die Sichtweise des Cemas-Experten: "Rechtsextremismus ist nicht nur ein Problem in Ostdeutschland oder in einkommensschwachen Gegenden, sondern auch in der Oberschicht." Das Video verdeutlicht die große Bedrohung für die Betroffenen, die nicht nur mit ihrem wirtschaftlichen Status zusammenhängt. Es mag Sie überraschen, aber das Video zeigt, dass "Rassismus sogar in die Reihen derjenigen einsickern kann, die Universitäten besucht haben oder Führungspositionen innehaben." Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Rechtsextremismus und rassistische Vorurteile in allen Bereichen der Gesellschaft anzutreffen sind.
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Quelle: www.stern.de